Herzog reist rund um seinen Geburtstag zu zwei Filmfestivals, sagte sein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. Zuerst in Telluride (Bundesstaat Colorado, USA), dann beim Filmfestival in Toronto, Kanada. Dort präsentiert er seinen neuen Dokumentarfilm „Theater of Thought“ über moderne Hirnforschung. Seine Ende August erschienenen Memoiren All for Himself and God Against All sind 352 Seiten lang. Seine Lebensgeschichte könnte Bände füllen. Auch für die aktuelle Ausstellung in der Kinemathek in Berlin mit rund 250 Exponaten, darunter viele Archivbilder, aber auch Videomaterial und persönliche Briefe, bietet sie reichhaltiges Material. Werner Herzog hat laut Website des Museums Kultstatus und ist zudem umstritten. Am 28. Oktober macht er im Rahmen einer Kooperation mit der Viennale auch Station im Volkstheater Wien. „Halluzinationen – Werner Herzogs innere und äußere Landschaften“ ist der Titel des Abends von und mit Herzog, bei dem das Publikum eine Mischung aus Film, Musik und Lesungen erwartet. 2009 wählte das amerikanische Magazin „Time“ Herzog zu einem der 100 einflussreichsten Menschen der Welt. Im selben Jahr wurde sein Dokumentarfilm Antarctic Encounters at the End of the World für einen Oscar nominiert. Von der Antarktis durch eine Höhle in Südfrankreich („The Cave of Forgotten Dreams“) ging es für die Filmdokumentation „Death in Texas“ und die Fernsehproduktion „On Death Row“, in der Insassen auf ihren Tod warten, in die Todeszellen amerikanischer Gefängnisse Hinrichtung. „Das ist ein Stoff von einer Intensität, die ich vorher in keinem Film hatte“, sagte Herzog 2012 der dpa. Die Dokumentation „Grizzly Man“ führte ihn zu einem Bärenforscher nach Alaska, „In the Depths of the Inferno“ führte ihn an den Rand von Vulkanen, in „Fireball: Visit from Far Away Worlds“ beschäftigte er sich mit Meteoriten, in „Gorbatschow – Ein Treffen mit dem ehemaligen sowjetischen Führer Michail Gorbatschow. Aber auch die Position wechselt – vor der Kamera. Mehrfach hatte er eine stimmliche Gastrolle in der Kult-Animationsserie Die Simpsons. Er spielte einen Bösewicht in der Star Wars-Serie The Mandalorian aus dem Jahr 2020. Als Bösewicht im Actionfilm „Jack Reacher“ machte er Tom Cruise zuvor das Leben schwer. Der 1942 als Sohn einer Kroatin und eines Deutschen als Werner Stipetić in München geborene Künstler wuchs in einem Bergdorf an der österreichischen Grenze auf. Dort hatte die Familie nach den Bombenanschlägen von München Zuflucht gesucht. Der Vater sei kurz nach seiner Geburt verschwunden, sagt Herzog in der Doku „Radical Dreamer“ – und wenn er das kleine Dorf besuche, erinnere er sich an die ärmlichen Zustände, den ständigen Hunger der Kinder, aber auch an die ausgelassenen Spiele mit den Geschwistern, die Natur u Freiheit, nach „deinen eigenen Regeln“ zu leben. Er hat Geschichte und Literatur studiert, sich das Filmhandwerk selbst beigebracht. 1961, mit fast 20 Jahren, drehte er seinen ersten Kurzfilm. In “Hercules” bemerkte er Bodybuilder, die für die Kamera posierten. Vier Jahre später – auf der Berlinale 1968 – gewann er mit „Lebenszeichen“ den Silbernen Bären für den besten ersten Monat. Mit Kollegen wie Wim Wenders, Rainer Werner Fassbinder und Volker Schlodorf prägte Herzog den Neuen Deutschen Film. Er suchte nach starken Persönlichkeiten und extremen Geschichten. In den 1970er und 1980er Jahren arbeitete er mit Klaus Kinski, dem exzentrischen Star der gemeinsam gedrehten Filme wie Aguirre, The Wrath of God und Fitzcarraldo, unter schwierigsten und gefährlichsten Bedingungen im südamerikanischen Dschungel. Auch für „Nosferatu – Phantom der Nacht“ und „Woyzeck“ brachte er sein schauspielerisches Genie vor die Kamera. In der Dokumentation „My Dearest Enemy“ sprach er über ihre Hassliebe. „Du hast diese Wildheit, die nur sehr wenige Regisseure hervorbringen können“, sagt Schauspieler Robert Pattinson über den Regisseur in der Dokumentation Radical Dreamer. Nicole Kidman erzählt uns, dass es sie sehr gereizt hat, in diese „Werner-Welt“ einzutauchen und Dinge zu wagen. In Herzogs „Königin der Wüste“ spielt die Oscar-Preisträgerin die britische Entdeckerin Gertrude Bell, die Anfang des 20. Jahrhunderts abgelegene Wüstenregionen des Nahen Ostens erkundete. Sie spielt an der Seite von ‚Twilight‘-Star Pattinson. Christian Bale, der mit ihm den Kriegsfilm Rescue Dawn (2006) gedreht hat, sagt, manche Leute würden Werner Herzog als „verrückt“ ansehen. Aber für ihn sei er einer der nettesten Menschen, die er kennengelernt habe, betont der stern. Der gebürtige Kalifornier lebt seit den 1990er Jahren mit seiner dritten Frau, der Fotografin Lena Herzog, in Los Angeles und ist gerne dort, wo man spürt, dass etwas passiert, sagt Herzog. “Hier redet man nicht nur, man tut einfach.” Der ewige Weltenbummler hat noch ein ganz besonderes Reiseziel im Auge. „Ich würde gerne ins Weltall fliegen“, sagt der dreifache Familienvater im Doku-Interview. „Ich bin total dafür, den Weltraum filmisch zu erkunden.“ Schließlich ist er mit extremen Welten bestens vertraut.