Der Überraschungscoup von Staatsopern-Intendant Bogdan Roščić zahlte sich aus, der das ursprünglich geplante „La Juive“ krankheitsbedingt absagen musste und stattdessen zum Saisonstart Netrebko für Mimì in „Bohème“ verpflichtete. Debatten über Belegungsquoten und kronenbezogene Skepsis in der Öffentlichkeit sind endgültig vergessen, wenn Netrebko auf dem Kader steht. Die drei Vorstellungen der Zeffirelli-Inszenierung von 1963 mit dem 50-Jährigen sind ausverkauft. Und La Netrebko war nicht enttäuscht, dass eine Handvoll Gäste ihren ersten Bühnenauftritt als Mimì am Abend mit Buhrufen begrüßten, zumal sie in der Staatsoper von der Mehrheit der Gesellschaft schnell zum Schweigen gebracht wurden. Besonders in den ruhigen Passagen der Rolle zeigte die Sopranistin dann ihre bronzeschimmernde Eleganz und erwies sich für ihre Verhältnisse als äußerst verspielt. Mit Vittorio Grigolo hatte sie als Rodolfo einen schmachtenden Tenor an ihrer Seite, der keineswegs vor Ehrfurcht vor seinem großen Kollegen erstarrte, sondern sich mit Wucht wehrte. In den Schützengräben drückte Bertrand de Billy derweil das Tempo, egal ob er den einen oder anderen Sänger auf der Bühne zurückließ. Und doch gab es, abgesehen von einigen Buhrufen, tosenden Applaus für einen gelungenen Repertoire-Auftritt für den wegen seiner politischen Haltung kritisierten Österreich-Russen. Und die Tatsache, dass Anna Netrebko wieder im Geschäft ist. Vor dem Opernhaus protestierten jedoch rund 40 Demonstranten vor der Aufführung gegen die klare Haltung der Sängerin zum Krieg gegen die Ukraine. Eine direkte Konfrontation mit Netrebko wurde vermieden und statt vor dem Bühneneingang etwas weiter nördlich an der Ecke Kärntnerstraße/Opernring platziert. Rechtzeitig zum Beginn der Aufführung wurde auch der Lautsprecher abgeschaltet. Die Demonstranten, von denen die meisten aus der ukrainischen Diaspora stammen, trugen Plakate, die unter anderem an die Treffen zwischen Netrembko und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem pro-russischen Separatisten Oleg Sarjow erinnern. Netrebko unterstütze eindeutig Putins Politik, unterstütze die vom Kreml gesponserten Donezk-Terroristen und auch die Kriegspolitik und die Besetzung der Krim, rief Organisator Mihailos Kariotis in den Lautsprecher. „Nach ein paar abgesagten Konzerten hat er gesagt, er sei gegen den Krieg. Leider hat er nicht klar gesagt, in welchem ​​Krieg er war, wer ihn angefangen hat und wer Zivilisten tötet“, kritisierte er die „halben Töne“ der Operndiva. (SERVICE – „La Bohème“ von Giacomo Puccini an der Staatsoper, Opernring 2, 1010 Wien. Musikalische Leitung: Bertrand de Billy, Regie: Franco Zeffirelli, Kostüme: Marcel Escoffier. Mit Rodolfo – Vittorio Grigolo, Mimì – Annaotre – George Petean , Schaunard – Martin Häßler, Colline – Günther Groissböck, Musetta – Nina Minasyan, Benoit – Marcus Pelz, Alcindoro – Marcus Pelz. Weitere Vorstellungen am 8., 11. und 18. September. www.wiener-staatsoper.at)